Rückschau: SundMehr am 29.04.2016 (Wie stehe ich zu SM-Partys)

Vierundzwanzig Besucher, darunter auch einige neue und sporadische Teilnehmer, kamen in den Gesprächskreis SundMehr am 29. April 2016, um sich darüber auszutauschen, wie sie zu Partys stehen. Schon in der Vorstellungsrunde kündigten sich die unterschiedlichsten Erfahrungen der Anwesenden an. Manche gingen selten, regelmäßig, noch gar nie oder früher mal nicht, jetzt schon auf Partys ? und nahmen für ein schönes Event auch mehrere hundert Kilometer Anfahrt, wie zum Beispiel nach Hamburg, in Kauf, wo sie bei ihrem Aufenthalt das Sub- mit einem Kulturprogramm ergänzten.

In der Tat gab es die Erfahrung, als Solomann sich unangenehm als Zuschauer zu empfinden, wie auch die, dass Zuschauer unangenehm sein können, wenn diese sich zu weit in die Nähe der Akteure schlichen. Entsprechende Erzählungen handelten eher in Swinger-Clubs, jedoch wurde dies auch von einem aus der SM-Szene berichtet, wo jemand unter Berufung den Geschäftsführer zu kennen, in Spielräume gegangen sei, die eigentlich nur Paaren vorbehalten waren. „Rumsitzen, sich als Spanner empfinden beim Zusehen“, fand dagegen ein Teilnehmer, fühle sich für ihn nicht gut an. ?Als aktive Frau kommt man immer ins Spiel? ergänzte eine Solche, die aber auch die Situation aus Sicht einer submissiven Partybesucherin kennt. Unangenehm sei es, wenn sehnsüchtige Männer einen bedrängten, weil sie sich wünschten, dass auch mit ihnen gespielt würde, konnte eine andere bestätigen. Wenn sie als Femdom auf einer Party sei, denken Männer oft, man müsse mit ihnen spielen, „aber als passive guckt einen keiner an“.

„Der Anspruch, dass man als Solo-Mann auf eine Party geht und dort auf jeden Fall „bespielt“ würde, ist allerdings geradezu anmaßend!“ fand ein Teilnehmer.

Überhaupt ist ?Sehen und Gesehen-Werden? durchaus ein Aspekt, der eine Party attraktiv machen kann. „Manche Möglichkeiten, beim Spiel mit Dominanz und Unterwerfung, benötigen geradezu Publikum. Denn Erniedrigung, Demütigung und Bloßstellung lassen sich auf einer Party besser inszenieren“, wusste ein Teilnehmer, der auch schon in passiver und inzwischen eher dominanter Rolle auf Partys geht.

Gedemütigt und erniedrigt zu sein, macht jedoch auch verletzlich. Und so verwundert es nicht, dass vor allem passiven Gesprächskreisbesucher eine leichte Tendenz zu zeigen schienen, mit dem Spiel in den heimischen vier Wänden auch schon ganz zufrieden zu sein. „Die ideale Party wäre für mich eine, in der meine Frau alle anderen Besucher kennt und ich
niemanden“, meinte einer dazu. Anonymität kann auch schützen. Überhaupt schien für einige klar zu sein, dass eine Party an sich, durch Gäste, einen guten Schutz vor Grenzüberschreitungen böte.

Allerdings müsse auch sichergestellt sein, dass der Anbieter seine Geschäftsbedingungen auch durchsetzt, war einem Besucher wichtig; einerseits bezüglich unerwünschter Zuschauer, wie auch des Dresscodes. „Wenn ich zu einer LLL-Party ginge, will ich niemanden im Anzug sehen“ empörte er sich. Ein andere hatte gerade damit Schwierigkeiten: Lack, Leder und Latex entsprachen nicht seinem Faible und schienen ihm zu nahe am Klischee. Mit Partnerin und im Anzug wurde er aber schon von einer Party abgewiesen, dabei könne das doch ganz schön sein, sich erst mal die Dinge so entwickeln zu lassen, bevor es zur Sache ginge. Während also ein Dresscode schon dazu dienen kann, Spanner aus Partys draußen zu halten, kann dieser auch dazu führen, dass wirklich Interessierte, rausgehalten werden.

Die ideale Party ist für viele an den Besuch mit Partner gebunden, obwohl gerade auch Leute ohne Partner, in der Hoffnung, SM ausleben zu können, Partys besuchen. Wenn die Partnerschaft stimme, sei man schon auf der sicheren Seite. Was dann geschähe, läge daran, was man daraus mache. Das Umfeld könne doch egal sein, betonte einer mehrfach. Dabei kann das Zuschauen, das in der einen Situation erwünscht ist, in anderen störend sein und von der Konzentration auf sich selbst und das Gegenüber ablenken. Sehr blöd sei es, wenn die Umstehenden beginnen, sich über ihren nächsten Urlaub oder die Schallplattensammlung zu unterhalten, wurde berichtet. Auch dies läge halt am Niveau der Veranstalter, wurde zum Teil immer wieder betont ? oder dem der Gäste? Als traurige Szenerie war einem Anwesenden eine etwas überfüllte Party, mit „Sklavenversteigerung“ in Erinnerung: die sehnsüchtigen Objekte kamen gar nicht zur Erfüllung ihrer Wünsche, weil sie niemand haben wollte. Eine sicher verletzende Erfahrung.

Was eine gute Party ausmache, konnte nicht allgemein beantwortet werden. Für die einen war es ein eher privater Rahmen, mit fünf bis sechs Paaren, für andere ein öffentlicher, aber mit genügend „aber nicht nur“ gut bekannten Freunden, der einen erotischen Kitzel verheißt. Mit einem Herrn wolle sie auf einer Party sein, der dann genau wissen müsse, was er ihr zumuten könnte, erläuterte eine Gesprächskreisbesucherin, die Schmerzen, Fixierungen und Fetische nicht brauche. Aber Männer in guten Anzügen und Frauen in schönen Roben wären toll. Ganz klar spielten die unterschiedlichsten Erwartungshaltungen eine sehr große Rolle. Zudem gäbe es Leute, die schon an sich mehr zum Feiern neigen und gerne Partys und Feste besuchen, wurde festgestellt. Wer dagegen vor allem erotische Wünsche ausleben will, die ihm zu Hause, wegen Anwesenheit der Kinder oder ruhebedürftiger Nachbarn verwehrt sind, geht unter ganz anderen Voraussetzungen zu einer Party.

Ein besonderer Kitzel kann jedoch im Abgleich von Alltagsrolle und der selbst inszenierten Rolle liegen, wenn man mit anderen Freunden unterwegs ist. Passiert es dagegen zufällig, dass man Arbeitskollegen oder Nachbarn trifft, ist dies manchem unangenehm. Interessant: in gleicher Weise kann dies auch in der Sauna passieren und auch hier sind die Sensibiliäten unterschiedlich. Dabei steht es 1:1 ? denn was soll der Chef sich darüber ärgern, dass sein Angestellter dieselben Leidenschaften hat, wie er selbst?

Es gibt jedoch auch Intimgrenzen, wie beim Gesprächskreis SundMehr, wo letztlich manches Detail, obwohl gemeinsam offen über die eigene Sexualität gesprochen wird, dann doch verschwiegen wird. Wenn unterschiedliche Intensitäten der Selbstoffenbarung, die im „Sich-Fallen-Lassen?“ zu Tage treten, deren Intimität ganz unterschiedlich erlebt wird, hat dies auch zur Folge, dass diese Intimität in unterschiedlichster Weise geschützt werden will.

Doch auch amüsante Anekdoten wurden mitgeteilt, wie das Erlebnis, angesichts sehr vieler Zuschauer, durch Sichtfenster in das Spielzimmer, eine unechte Session zu inszenieren. Für die Zuschauer nicht sichtbar, war die Gerte nicht mit lautem Klatschen auf dem Gesäß der Geliebten gelandet, denn das Geräusch wurde schon durch geschicktes Handlung des Schlaginstruments in der Luft erzeugt, hatte aber immer mehr Zuschauer angelockt, die eine unerklärlicherweise ständig vor sich hin kichernde Sub beobachten konnten. Freundliche Heiterkeit weckte auch die Eröffnung einer Teilnehmerin, die wähnte, noch nie auf einer SM-Party gewesen zu sein. Als auf der Suche nach einer Definition von ihr in die Runde gefragt wurde, was dies denn eigentlich sei, wurde ihr als Beispiel eine Veranstaltung vor Augen geführt, wo einer der Anwesenden mit seiner Partnerin „gespielt“ hatte, was sie ja deutlich mitbekommen habe. Sie selbst hatte gedacht, das sei ?nur so? gewesen.

Achtung:

Da wegen des Feiertages am 26.05.2016 der nachfolgende Freitag ein Brückentag ist, findet der nächste Gesprächskreis nicht wie üblich am letzten Freitag im Monat statt, sondern am Freitag, den 3. Juni, mit dem Thema: „Als ich merkte, was mir Lust macht…
http://www.sundmehr.de/Termine/20160603.htm“ und Workshop für Paare am nächsten Tag (hierzu Anmeldung http://www.sundmehr.de/download/Workshop-fuer-Paare-2016-06-04.pdf erforderlich).

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Quelle: SWL

Rückschau Gesprächskreis vom 01.04.2016 – Wie sehe ich den Bereich des professionellen BDSM?

15 Teilnehmer trafen sich im Gesprächskreis SundMehr um das Thema „Wie sehe ich den Bereich des professionellen BDSM?“ zu diskutieren.
Schon in der Vorstellungsrunde zeigte sich, dass die vor Jahren noch vorhanden gewesene Distanz zu professionellen SM-Angeboten in den Stammtischen und Gesprächskreisen, nicht – oder kaum – mehr vorhanden ist. So gab ein Großteil der Teilnehmer an, Kontakte zu professionellen Dienstleistern in dieser Branche zu haben. Umso verwunderter waren einige Teilnehmer, als berichtet wurde, dass manche Stammtische keine professionellen Dominas als Gäste wollen.
Einige Zeit wurde dann darüber diskutiert, inwieweit eine „gekaufte“ SM-Session mit Leidenschaft gestaltet werden kann. Kann Leidenschaft überhaupt gekauft werden? Andererseits – so ein Teilnehmer – gibt es ja auch im tagtäglichen Berufsleben immer wieder Situationen, in denen Menschen ihrer Tätigkeit „mit Leidenschaft“ nachgehen. Ähnlich sei dies auch bei Professionellen aus der SM-Branche: Abhängig von der entsprechenden Tagesverfassung, können die Sessions sehr unterschiedlich ausfallen. Sehr viele Dominas – von männlichen SM-Dienstleistern wurde nur am Rande berichtet – machen „ihre Sache“ durchaus mit Leidenschaft. Die Wenigsten bieten ihre Dienste aus rein finanziellen Gründen – ohne einen Bezug zu BDSM zu haben – an.
Schließlich wurden noch über die Motive gesprochen, die Menschen – meist Männer – ins Domina-Studio führt. Einerseits ist es für Viele, die ihr Faible im Rahmen einer bestehenden Partnerschaft nicht ausleben können, die einzige Möglichkeit. Auch die klare Abgrenzung, zeitlicher und räumlicher Natur, wurde beim Besuch eines Studios positiv gewertet. Der Alltag bleibt dort definitiv draußen, was in vielen privaten BDSM-Partnerschaften manchmal schwerfällt. Man kann sich dort „fallen lassen“ ohne einen partnerschaftlichen Hintergrund beachten zu müssen.
Einige berichteten, dass sich durchaus etwas wie eine „Beziehung“ zwischen Kunden und Domina entwickeln könne. Dafür spricht auch die nicht geringe Anzahl an Stammkunden, die fast jede Domina hat. Ein Teilnehmer schätzte die Möglichkeit, eine Session nach genau seine Vorgaben und Wünschen zu gestalten. Dies war wiederum der Grund für eine andre Teilnehmerin, ihre Tätigkeit als Domina im Studio zu beenden.
Unterschiedliche Einschätzungen gab es in der Diskussion über die Begrifflichkeit der Prostitution in diesem Zusammenhang. Ab wann sind solche Dienstleistungen Prostitution? Diese Frage konnte in der Runde nicht abschließend geklärt werden, was dem Abend jedoch keinen Abbruch tat, da es sich hier ja eher um eine Randfrage des aktuellen Themas handelte.

 

Quelle: SWL

Rückschau SundMehr am 27.11.2015 – Heiteres Weihnachtsbasteln

Zur informellen Weihnachtsfeier des Gesprächskreises SundMehr trafen sich am 27. November 11 Teilnehmer, um sich über das Thema Basteln auszutauschen. War dies vor Jahren schon der Renner, bei dem amüsiertes Staunen bei den Zuhörern die Erläuterung von Tipps, Möglichkeiten und Erfahrungen mit dem Eigenbau oder der Zweckentfremdung, begleitete, hatte das Interesse diesmal spürbar nachgelassen.

Bei der Eingangsfrage stellte sich heraus, dass zwar einige sich zumindest in der Anfangszeit ihr Zubehör selbst gebastelt hatten, jedoch viele sich selbst Kreativität oder Talent zum Eigenbau absprachen. Zudem ist dank Internet und der dort zu findenden Shops wohl der Bedarf gesunken – andererseits finden sich manche Gegenstände, die zur Zweckentfremdung aus dem Bereich der Medizin oder Tierhaltung angeboten werden, beim ursprünglichen Shop deutlich günstiger, wie ein Anwesender, mit beruflichem Bezug zum landwirtschaftlichen Tierhalterbedarf feststellte.

Eine Anwesende erläuterte, dass sie die Zweckentfremdung von Alltagsgegenständen derzeit am meisten kickte – hatte sie doch bei einem erotischen Telefondienstleister gejobbt und musste hierbei selbst kreative Fähigkeiten beweisen, wenn sie die Kunden anweisen musste, in ihrer Nähe auffindbare Gegenstände, zwecks Lustgewinnung zu benutzen.

Da nur ein Teilnehmer ein bereits vorgestelltes Exponat seiner Eigenbaubemühungen dabei hatte, das am Ende nochmals vorgestellt wurde, kam es zu eher theoretischen Erläuterungen, die nicht weniger amüsant waren – kamen diese doch vor allem aus dem Bereich der Landwirtschaft. Gewarnt wurde vor der Zweckentfremdung von Melkmaschinen, die eben nicht über ein Vakuum funktionieren, sondern – entsprechend der Bewegungen
eines Melkers – durch den rhythmisch wiederholten Aufbau von Druck von oben nach unten (am Euter einer Kuh) um die Milch abzutransportieren. Wird dies bei männlichen Selbstversuchern angewendet, droht sich hier ein unangenehmer Druck am Ende des Körperteils aufzubauen, an dem der „Melkbecher“ hängt.

Kurzer, doch naheliegender, Bezug wurde dann zur Zweckentfremdung von Staubsaugern genommen, wobei vor allem vor autoerotischen Unfällen gewarnt wurde, die gehäuft einem bestimmten Modell zugewiesen wurden und so die informelle Bezeichung „Morbus Kobold“ erhielten. Weit harmloser dagegen die Zweckentfremdung landwirtschaftlicher Produkte, die schon bei der Ernte einen gewissen Aufforderungscharakter zeigen. So wird Lauch von Insidern (und nicht nur Sadomasochisten) wohl gerne spielerisch geschwungen und entwickelt sich nach einigen Schlägen wie von selbst durch die faserige Aufspaltung der Blätter zu einer Art Fadenpeitsche. Andere Produkte wecken eher Assoziationen erotischer Art, die der berichtende Besucher gerne auch durch gezielte Auslage auf dem Markt zur Gesprächsanbahnung nutzt.

Trotz geringer Besucherzahl und wenig Exponate, war der Abend durchaus heiter, doch lebt die Behandlung des Themas vom Mitwirken der Teilnehmer. Am Ende plädierten dennoch einige für die Beibehaltung des Themas auch am nächsten Jahresende, jedoch unter stärkerer Ankündigung; bietet es doch die Möglichkeit, wenn auch der Gesprächskreis nach wie vor keine Spielwiese sein soll, dass jeder etwas sichtbares vorstellt und gezielt seine persönlichen Erfahrungen zur Sprache bringt.

Dennoch wurde am Ende beschlossen, vorläufig das Thema zurück zu stellen, damit sich gegebenenfalls im übernächsten Jahr Ideen ansammeln können.

Der nächste Gesprächskreis SundMehr findet am 29. Januar 2016 Statt. Wir wünschen allen schöne, nette, wo gewünscht auch gesegnete Weihnachtstage und einen guten Rutsch ins nächste Jahr!

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Quelle: SWL

Rückschau: SundMehr 28.082015 – „Wie strafe ich richtig gut?“

Ob es der Ferienzeit oder dem spontan notwendigen Raumwechsel geschuldet war, dass sich die relativ geringe Anzahl von 13 Gesprächskreisteilnehmern am 28. August zum Thema „Wie strafe ich richtig gut?“ einfand, war unklar. Der Intensität der Gespräche tat dies keinen Abbruch.

Bei der Eingangsfrage, wie man sich gefühlt habe, als man – egal in welchem Kontext – das letzte Mal bestraft worden sei, stellte sich heraus, dass die wenigsten Erinnerungen an Bestrafungssituationen im Alltag besaßen, sieht man von kleineren Verkehrsdelikten ab, denen jedoch eher monetäre, als emotionale Bedeutung zugemessen wurde.

Eher kamen unangenehme Erfahrungen aus der Kindheit zur Sprache. So berichtete eine Teilnehmerin, dass sie die Strafe für ihre Brüder auf sich genommen habe, weil diese in der Regel viel härter bestraft wurden, als sie. Sie habe sich in diese hineinversetzt und sich anschließend gut gefühlt. Andere berichteten aber ausnahmslos von negativen Gefühlen, der Ohnmacht und unbändigen Wut, weil sie Strafe in der Regel ungerecht empfanden.

Erstaunliche Ausnahme bildete der Bericht eines Teilnehmers, der als Deutscher vor Jahren in einem muslimischen Land gearbeitet und „sich daneben benommen“ habe, in dem er Frauen berührt und umarmt habe. Seine Strafe habe – nach islamischem Recht – aus Schlägen mit einer Art Peitsche bestanden, die nichts mit Spiel zu tun gehabt hätten. Im Verlauf des Abends ergänzte er, dass er sich dabei, bis zum Höhepunkt sexuell erregte.

Bei vielen wurde Bestrafung eher aus SMigem dem Kontext geschildert, wobei die Meinungen schwankten, von „eine richtige Strafe müsse man sich auch verdient haben“, bis hin zum Gefühl – einer die submissive Seite bevorzugenden Frau – vorsätzlich provozierte Strafe sei ihr ein Greul.

Strafe sei dann nicht echt und sie selbst mit dem Gefühl nicht dabei. Zu Reue oder Demut gezwungen zu sein, sei alles andere als geil. Eine andere Teilnehmerin berichtete von einer aktuellen Art Kontaktsperre, bei der ihr Spielpartner nicht auf ihre Nachrichten antwortete und sie – offenbar zugunsten einer anderen – ignoriere. Aus der Runde kamen Assoziationen zu angeblich „gewaltfreien“ Erziehungsmethoden mancher Eltern, aber auch, dass es sich hier eher um ein ernsthaftes Beziehungsproblem handeln könnte, statt um eine Maßnahme, um SM-Erotik zu steigern, denn glücklich schien die Betroffene nicht zu sein.

Jemand, der vor längerer Zeit von passiver auf die aktive Seite sadomasochistischer Vorlieben wechselte fand es zu lange her, um sich an Bestrafung zu erinnern, seine Partnerin beschrieb sich als zu lieb, um bestraft zu werden. Ein anderer Teilnehmer berichtete, dass er gerne auch während einer Session gerne provoziere, sodass es ohne Strafe gar nicht möglich wäre zu spielen, wobei er und seine Partnerin durchaus auch an Grenzen gingen, die anderen vermutlich zu weit seien. Es käme dann auch bei ihm zu einem Kampf mit dem Ego, weil es schon sehr unangenehm wäre, aber er wolle dann „nicht brechen“ und die Situation durchstehen – ein Machtspiel.

Wie kommt es zu dem Dilemma, dass so viele Bestrafung eher ablehnen, weil sie sich selbst als gerecht und insofern sozialisiert betrachteten, dass sie ihr Verhalten begründen können, und das Gefühl haben keine Strafe zu verdienen, und dies im SM-Kontext dennoch akzeptieren, sofern Strafe nicht bewusst provoziert wird? Eine Besucherin vermutete sich selbst dem Klischee nahe, dass

Kindheitserinnerungen wach werden: der Elternteil, der bestraft, wird dennoch geliebt, wodurch die Negativ-Zuwendung doch auch Nähe schaffe. Sie fühle sich ihrem Dom auch sehr nahe, wenn sie bestraft würde und das abgesprochene Machtverhältnis käme wieder ins Lot. Auch von anderen wurde der Verdacht unterstützt, dass Kindheitserfahrungen reaktiviert würden: Strafe schaffe, gerade wenn sie als ungerecht erlebt würde, auch Widerstand und mache so stark. Allerdings soll dieser ja auch vom Aktiven überwunden werden. Dass die Versuchung, den aktiven zu provozieren, dann nahe liegt, wird so erklärbar: sind es doch positive Gefühle, die angestrebt werden. Strafe wird zur Belohnung. Manche Provokation im SM-Kontext wirke wie bei kleinen Kindern – praktisch ein Deal mit den Eltern, eine gegenseitige Manipulation. Bei SM ist dazu eine Niederlage in der Phantasie nicht möglich: steht Sub die Bestrafung durch, fühlt er sich stark, aufgrund seiner Fähigkeit viel auszuhalten, sich nicht brechen zu lassen. Wird sein Widerstand überwunden, findet er sich in der Beziehung des (hoffentlich) vertrauenswürdigen Dom wieder, die ihn emotional auffängt. Als Dom könne es dann besser sein, in einer Spielsituation mit anderen, die erwartete Strafe auszusetzen, und z.B. seine Sub nur zu kontrollieren, in dem sie fixiert würde und dafür eine andere zu bestrafen, bzw. so mit ihr zu spielen, wie Sub es sich gewünscht habe. Das sei dann eine erzieherische Maßnahme. Strafe sei nicht Inhalt jedes Spiels, wurde festgestellt – während eine Teilnehmerin einwarf, für sie sei Strafe etwas Ungewolltes und nichts Provoziertes. Letztlich beobachte er bei SM-Sessions im Grunde kaum Strafen, subsummierte ein Teilnehmer und schlug vor, lieber von Spielen mit „Strafcharakter“ zu sprechen. Assoziationen von Mittelalterlichen Demütigungen am Pranger oder anderen Foltermethoden kämen zur Schau, allerdings auf Grund der Einvernehmlichkeit der Partner eben nicht im Sinne einer verdienten, demütigenden Strafe.
Ein anderer sprach von „erzieherischen Maßnahmen“ bei denen Sub lernen solle, ein unerwünschtes Verhalten zu unterlassen. Wobei auch körperlich einiges ausgelöst werden kann – das erwünscht ist? Strafe funktioniere dann, wenn sie gerecht ist, stellte die zugehörige Partnerin fest, und wenn sie von ihr auch so empfunden würde.

Fraglich war an also, wozu Strafe gut sein soll, wenn die Einsicht, in ihre „Notwendigkeit“ schon längst geschehen ist, sofern sie als gerecht empfunden wird… Selbst das deutsche „Strafrecht“ geht ja davon aus, dass es bei einer Verurteilung nicht um Rache oder Sühne geht, sondern dass jeder Mensch sich verändern kann – weshalb niemand wirklich lebenslänglich ins Gefängnis kommt, sondern irgendwann „resozialisiert“ werden soll. Der Aspekt der Einsicht wurde dann diskutiert, weil nach Ansicht einer Besucherin, SM eine Lebenssituation darstelle, bei der der Top das Recht bekäme, über den Sub zu verfügen.
Strafe diene in weiten Teilen dazu, den Beteiligten zu bestätigen, dass Entscheidungen des Tops akzeptiert würden und rücke so das abgesprochene Verhältnis wieder ins Lot. Hier sähe er einen Unterschied zwischen SM und DS, erklärte ein Anwesender. Im Rahmen einer Dominanz und Submission-Situation könne es durchaus sein, dass jemand körperlich unangenehme Gefühle ertrage, um das Machtverhältnis zu bestätigen. Ein quasi religiöses Gefühl entstünde: Der dominante Part hat immer Recht, was dem Dom und dem Sub gut tut.

Dies schien der einzige Aspekt zu sein, der an diesem Abend für Strafe sprach, denn offenbar bringt sie, für Leute, die vor allem Sadismus und Masochismus (das Spiel mit den körperlichen, oft unangenehmen Gefühlen) bevorzugen weder etwas für die Beziehung, für die erotische Lust und motiviert nicht. Dennoch kann sie Dinge „ins Lot“ bringen, die die „Bilder im Kopf“ bestätigen, sei es, einer mittelalterlichen Selbstinszenierung, oder eines hierarchischen Verhältnisses der Beteiligten, wenn die sich als Team in einem Spiel wahrnehmen, das als Ziel die gemeinsame erotische Lust hat. Auch das Gefühl „sich für andere“ zu opfern, in dem die Strafe für jemand anderen abgegolten wird, kann dazu gehören. Doch kann Strafe überhaupt darüber hinaus zu einer Verhaltensänderung führen, oder bringt sie gar nichts? Ist Belohnung nicht der viel stärkere Antrieb? Wie also, kann im Kontext einer Session „richtig gut“ gestraft werden? Schließlich braucht Strafe ein Vergehen – das nicht absichtlich herbei geführt werden soll. Spiele mit Strafcharakter müssen keine wirkliche Strafe beinhalten. Dass eine Strafe gut war, merkt man hinterher, weil es beiden auch gut geht, nach der Situation. Und dennoch soll sie dazu führen, dass „ein Vergehen“ nicht mehr vorkommt. Wie kann also Strafe nachhaltig, ohne Beschädigung der Beziehung, dazu führen, dass sie motiviert, ein Verhalten zu unterlassen, ohne dass sie dazu motiviert, ein unerwünschtes Verhalten zu zeigen? Alle die Überlegungen können nicht losgelöst von der Person der Beteiligten betrachtet werden, stellte eine Anwesende fest. Strafe sollte auf keinen Fall daraus bestehen, dass man die Dinge macht, die der andere mag. Sonst wird sie zur Belohnung.

Man müsse hierbei unterscheiden, ob es sich um eine kommerzielle oder nicht-kommerzielle Spiel-, oder eine Liebesbeziehung handelt, stellte ein Anwesender fest. Strafe eine Domina gut, käme Sub wieder, wobei Strafe hier durchaus auch als Belohnung gesehen werden kann – so funktioniert Kundenbindung. In einer Liebesbeziehung sei man allerdings auch daran interessiert, sich gegenseitig nicht wirklich zu schaden – und die Beziehung zu erhalten.

Es gibt also kein Patentrezept, war dann der Tenor in der Abschlussrunde. Einige berichteten nach wie vor davon, dass für sie das Thema Strafe im SM-Kontext nicht existiere. Andere wussten nur die
Anzeichen einer gelungenen Strafe: dass es beiden hinterher noch gut miteinander geht. SM sei die Umkehrung des alltäglichen Lebens. Vieles sei auf den Kopf gestellt, meinte ein Teilnehmer, was vom Moderator, mit Hinweis auf seine erste Buchveröffentlichung freudig aufgegriffen wurde.

Eine gute Strafe bringe ihn „runter“ von der eigenen Persönlichkeit, sodass er nicht mehr frech grinse, meinte ein Anderer. Eine gute Strafe hole sie ab und bringe sie in ihre Rolle, erklärte eine weitere. Dabei sei es wichtig, so ihr Partner, dass seine Strafen die Sub „flashen“, keine Routine aufkäme und eher Überraschungen entstünden. Und androhen und dann nicht durchführen, bringe nichts – Konsequenz sei sehr wichtig. Gute Strafe könne der Sub zulassen, erläutere eine andere. Für Ihn sei an diesem Abend herausgekommen, dass Strafe eigentlich bei Sessions kaum vorkäme, sondern es sich eher um Spiele mit Strafcharakter handle, war ein weiteres Abschlussstatement, während eine Dominant spielende betonte, für sie ginge es bei Strafe um die Lust der Dominanten und erregte dabei den Unmut ihres anwesenden Partners, weil der Team-Charakter dabei vernachlässigt würde. Wichtig sei ihm, erläuterte der gerne provozierend spielende Besucher am Ende, dass sie nach der Session Freunde bleiben könnten. Bei ihm und seiner Partnerin funktioniere dies. Nachdem so abgeschlossenen thematische Teil, konnte sich die Runde noch in den etwas kühleren, gemütlichen Biergarten der Ersatz-Location setzen und den Abend, oder die Ereignisse des Sommers Revue passieren lassen.

Der Gesprächskreis SundMehr trifft sich wieder am 25.09.2015 im gewohnten Treffpunkt. Zu Gast wird ein Psychologe sein, zum Thema „Genug, mehr als Genug oder Zuviel?“

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Quelle: SWL

Rückschau SundMehr – „Schwacher Dom – starker Sub?“

Rückblick zum Themenabend „Starker/r Dom – schwache/r Sub?“ des Gesprächskreises SundMehr am 26.06.2015

Zwei knappe Aussagen in einen Gegensatz gebracht und mit einem Fragezeichen versehen: Starksein/Schwachsein im BDSM-Kontext – das scheint für viele Interessierte ein Thema, über das sich zu reden lohnt. So hatten sich 25 Personen eingefunden beim Gesprächskreis SundMehr, um schon in der Vorstellungsrunde ein Statement abzugeben: Wenn du heute Abend noch an einer Session teilnehmen würdest, wie wärst du da: Eher stark oder eher schwach? Die darauf folgenden Antworten der Teilnehmenden brachten sofort die Breite und Tiefe des Themas ans Tageslicht. Es war von der „Feierabendmüdigkeit“ die Rede, die man sich auch als dominante Person eingestehen müsse und vom Gegenüber zu respektieren sei, dass es schon ein Zeichen von Stärke sei, wenn man sich „Schwachheit“ eingestehen könne, bis hin zu der Grundsatzfrage, was denn überhaupt „Stärke“ und „Schwäche“ sei?

Doch bevor man sich an Definitionen wagte, kamen sehr praktische Überlegungen in die Runde: Ist denn der Einsatz des „Safewortes“ während einer Session schon Ausdruck von Schwäche, ja der Gedanke, ein solches überhaupt zu vereinbaren, noch viel mehr?

Ein Teilnehmer konnte berichten, dass er selbst als Sub kein Safewort benötige, da sein Gegenüber die entsprechende Aufmerksamkeit habe, überfordernde Situationen zu erkennen. Doch insgesamt war man sich einig, dass bei allem Reiz, Grenzen zu überschreiten, es auch ein Zeichen der gegenseitigen Verantwortung ist, sich auf einen wie immer gearteten Hinweis zu einigen, dass eine „no-go“-Situation erreicht sei.

Der weitere Gesprächsverlauf zeigte, dass man die Begriffe „Stark und Schwach“ nicht pauschal auf Personen im SM-Kontext anwenden kann und auch nicht generell auf die verschiedenen Erscheinungsformen des BDSM. Denn es macht einen Unterschied, ob beispielsweise zwei Personen verstärkt auf der sadistisch-masochistischen Ebene agieren, oder ob die dominant-submissiven Anteile ein stärkeres Gewicht haben. Damit wollten manche zum Ausdruck bringen, dass bei einer D/s-Beziehung der dominante Part stets eine mentale Stärke braucht, um das Gefälle aufrecht zu erhalten. Nur dem anderen seinen Willen aufzuzwingen ist eben kein Ausdruck von Stärke. Im SM-Kontext dagegen kann die Session als begrenzter Zeitraum genügen, in dem das Stark-sein des Aktiven gefordert ist.

Eine Sub meinte, sie fände es Stärke, wenn der Top konsequent bleibt und damit seine innerliche Stärke zeigt.

Auch hier wurde deutlich: Stark oder schwach, das ist keine Frage des Geschlechts oder der Konstitution, sondern Persönlichkeitssache. Eine Teilnehmerin meinte, man muss authentisch sein, mit seiner Rolle umgehen können und mit sich selbst im Reinen sein. So kann man durchaus geschwächt aus einem arbeitsreichen Tag kommen und am Abend in einer Session die kraftschöpfende Erfüllung finden. Ein Teilnehmer berichtete von einer Fesselsession, die er als Passiver trotz körperlicher Erschöpfung zuvor, anschließend als bereichernd erfahren habe.

Deutlich wurde mehrmals, dass Stärke oder Schwäche etwas Dynamisches ist, nichts Starres.

Eine andere Facette im Wortverständnis brachte ein Teilnehmer ins Gespräch: Dass man redensartlich „schwach werden könne“, im Sinne von „Dahinschmelzen“. Und zwar durchaus als dominante Person, nämlich dann, wenn sehr deutlich spürbar wird, wie das eigene Tun beim Anderen „erfolgreich“ ankommt. Schwachsein als Folge der eigenen Stärke.

Die durchaus lebhafte Diskussion zeigte, dass „Schwachsein“ im BDSM-Kontext zunächst mal keine Defizitbeschreibung ist, egal auf welcher Seite die Agierenden stehen, knien oder hängen.

Dennoch könne es so etwas wie ein „negatives Schwachsein“ geben: Wenn innerhalb der BDSM-Beziehung starke negative Emotionen in eine Session einfließen, z.B. Alltagsärger über den Partner an diesem ausgelassen wird. Dieses Agieren wäre ein Zeichen der Hilflosigkeit und Schwäche. Wobei das aus anderen Lebenskontexten heraus, wenn etwa Frustration über den Chef am „Sub“ ausgelassen wird, auch in Ordnung sein könne, wenn es zwischen den Beteiligten abgesprochen sei, wie ein Teilnehmer aus eigener Erfahrung berichtete.

Der Gesprächsabend hatte ein Thema angerissen, das nicht den Anspruch hatte, in einem seminaristischen Stil abgehandelt und mit thesenartigen Erkenntnissen abgeschlossen zu werden. Es ist vielmehr gelungen, eine menschliche Grunderfahrung „Schwachsein -Starksein“ im BDSM-Kontext zu betrachten. Die Teilnehmenden selbst haben mit ihren Beiträgen, mit ihrer Offenheit und Hörbereitschaft dazu beigetragen, dass jede/r für sich Erkenntnisse und Gedankenanstöße mit nach Hause nehmen konnte. Es hatte sich gelohnt, dabei zu sein. Ein starker Abend.

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Rückschau SundMehr Thema Drehbücher und Szenarien vom 29.05.2015

Der Gesprächskreis SundMehr traf sich am 29.05.2015 in Rommelshausen zum Thema Drehbücher und Szenarien.

13 Teilnehmer gaben bereits bei der Vorstellungsrunde kurze Statements zum Thema ab und diskutierten rege über die verschiedenen Aspekte von drehbuchartigen Szenarien. So spielten sogenannte „Drehbücher“ verstärkt im Bereich D/S eine Rolle: eine Situation oder ein „Setting“ wird beschrieben, z. B. Lehrer-Schüler, in der sich das D/S-Spiel sich dann entfalten kann. Hierbei wurde angemerkt, dass es mit einem „Improvisationstheater“ verglichen werden kann, bei dem ein großer Raum für freie Gestaltungsmöglichkeit besteht.

Andererseits mache ein „Drehbuch“ mit bis ins Detail vorgefertigten Dialogen und Szenen es womöglich schwierig, die „Rollen“ zu besetzen. Ansprüche könnten zu hoch sein oder zumindest den Anschein dafür haben. „Drehbuch“ bedeutet für ihn bezüglich SM auch für „Material“ und Sicherheit zu sorgen, meinte ein Teilnehmer. Manchmal sei einfach eine „technische Vorbereitung“ notwendig.

Ein „Drehbuch“ kann Phantasien freisetzen, meinte ein anderer Teilnehmer. Daraufhin wurde ueber den Austausch von Wuenschen und Phantasien zwischen den Partnern gesprochen. Elementar wichtig sei dies, und haette keinen „Drehbuch-Charakter“. Der Dialog ueber Wuensche und Beduerfnisse sei eine sensible Sache. Es bestünde auch durchaus die Gefahr, dass ein Partner sich einem Druck ausgesetzt fühlt, wenn Wünsche artikuliert werden, die er meint nicht erfüllen zu können. Bereits dann sollten Paare gut auf einander achten und Wuensche bzw. Phantasien keinen „zwingenden Beigeschmack“ mitgeben.

Dabei spielt es eine große Rolle in welcher Beziehung die beiden Partner stehen. Kennt sich ein Paar schon lange sind meistens wenige bis keine Worte nötig, bei frischen Beziehungen hat der Austausch eine größere Bedeutung.

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Rückschau SundMehr am 27.02.2015 „Wie lebe ich meinen Masochismus“

26 Männer und Frauen mit sadomasochistischen Neigungen trafen sich am 27. Februar im Gesprächskreis SundMehr zur Fragestellung „Wie leben ich meinen Masochismus“, als Gegenstück des Themenabends zum erotischen Sadismus, im Oktober letzten Jahres (siehe http://www.sundmehr.de/Termine/20141031.htm).

Die Statements in der Vorstellungsrunde brachten zu Tage, dass einige Besucher zwischen Sexualität und Sadomasochismus unterschieden: „Es muss nicht immer was lustvolles dahinter stehen“, fand ein Teilnehmer, was den Hinweis nach sich zog, dass jeder, der sich mit Motivation beschäftigt, nun vor dem Rätsel stünde, warum er dann Masochismus anstrebe; zumal die Lust am Leiden ja per Definition dazu gehöre.

In der SM-Szene weithin bekannten Erläuterungen wurden zitiert; wie die, dass Schmerzen (als starke Reize) auch entspannend wirken können. Es käme zur Hormonausschüttung im Gehirn – jedoch könne es auch einen psychischen Schmerz geben, „gehorchen zu müssen“, was dann als „psychischer Masochismus“ bezeichnet wurde. Fraglich war, ob damit das Selbe gemeint sei, wie bei Spielen mit Dominanz und Submission. Sei es nicht! Stellte eine Teilnehmerin fest, denn eine devote Spielerin wolle ja gehorchen, während es bei diesem psychischen Masochismus um Demütigungen und die Lust an noch mehr Reglementierung, Sanktion, Strafen ginge, die ja auch irgendwie weh täten, was beim perfekten Gehorchen-Wollen oder der perfekten Hingabe ja nicht der Fall sei.

Ein Teilnehmer nahm dies zum Anlass, eindringlich vor einem tiefen Eingriff in die Persönlichkeit, insbesondere das Selbstwertgefühl zu warnen. Schläge des Dominanten Partners – die für das Ausleben von körperlichem Masochismus genossen werden könnten, seien vom aktiven eher zu kontrollieren, ergänzte ein anderer. Denn wenn man aufhöre, wäre der erfahrbare Reiz weg. Verbale Demütigungen wirkten dagegen noch lange nach.

Die Frage, wie man denn seinen individuellen Geschmack am Masochismus ausleben könne, wurde dann in die Runde geworfen – zumal man dabei ja auf das Mittun des Partners angewiesen ist. Als Essenziell wurde allgemein das spätere Sprechen über die Session, betrachtet; die Darstellung, was einem gut tut und was nicht. Doch müsse auch vor einem Zerreden der Situation gewarnt werden – stellte sich als Dilemma heraus.
Es könne auch die sadistischen oder dominanten Mitspieler verunsichern, wenn zu genau definiert wird, was sein soll und was nicht. Besser ist es da, für die Subs, ihre Herrschaften auf ihrem Trönchen zu belassen, statt sie von dort zu stoßen. Eine Beziehung kann da vieles relativieren – wenn es jedem der Beteiligten darum geht, dem anderen gut zu tun – ein Aspekt der auch dominant masochistischen SMern wichtig sein sollte.
Leute, die nicht in einer Beziehung leben, sondern zum Ausleben ihrer Sexualität auf Spielbeziehungen oder die Inanspruchnahme professioneller Dienstleisterinnen angewiesen sind, stehen hier natürlich vor einem Problem.

Masochismus ist, selbst in nicht einvernehmlicher Form, immer mehr davon abhängig, dass es jemanden gibt, der mit macht. Schwierig ist es, wenn man als Sub nicht sagen kann, was man will, sondern erst die Aktion des dominanten Parts abwarten muss, um durch die eigene Reaktion zu zeigen, dass gut war, was gerade geschehen ist. Muß da der Ausdruck von Gefühlen, der ja bewusst als Kommunikationsmittel eingesetzt werden soll, nicht zunächst gründlich durchdacht werden? Kann man so noch spontan und genau bei sich selbst sein?

Dennoch ist zu berücksichtigen, dass die Beteiligten als Team miteinander am Erfolg der Session arbeiten müssen – was die SMig-romantische Illusion einer Beziehung, die im harmonischen Gegensatz der Machtverhältnisse aufgeht, leider ins Traumland verweist. Fraglich ist, ob der „Wunschzettelsub“ gar nicht so verfehmt sein sollte – gibt es vielleicht ja auch den „Wunschzetteldom“. Im Bereich der Organisationssoziologie gibt es inzwischen den Begriff des „Cheffing“:
die Führung eines Vorgesetzten durch die Mitarbeiter (zum Beispiel hier: http://www.abendblatt.de/wirtschaft/karriere/article109512773/Cheffing-Wie-Mitarbeiter-ihre-Chefs-fuehren.html), bei dem vielleicht eine Analogie zum gefürchteten „topping from the bottom“ gesehen werden kann, das als Feind jeder traumhaften SM-Beziehung betrachtet wird. Doch warum eigentlich? Weil die Regie immer beim Dom sein sollte (wie einige SMige Doms meinen), es aber doch nicht ist, wie erfahrene Subs wissen.

Insgesamt schwierig schien es, durch die große Besucherzahl an diesem Abend, einen roten Faden in das Gespräch zu bringen. Positiv fiel dabei auf, dass es kaum zu Festlegungen oder Wertungen kam. Dafür standen viele Themen wie ein bunter Strauß von Aspekten neben einander und fast jeder Anwesende beteiligte sich am Gespräch. Nur kurz soll darum die Gesprächssequenz darüber erwähnt werden, dass Schmerz auch etwas Regeneratives haben kann, was die Wortschöpfung der „Wellness-Haue“ nach sich zog, wobei klar war, dass auch das Ausbleiben sadomasochistischer Zuwendung zu Unwohlsein und Gereiztheit führen kann. Andiskutiert wurde auch, ob Masochismus eine andere Art von Befriedigung ist, als Sexualität, zumal Orgasmen ja nicht zwingend dazugehörig sind. Fraglich war auch für eine Teilnehmerin, ob sie ihren Dom nicht manipuliert, in dem sie ihre Wünsche äußert, und so genau das, was sie genießt – das Erleben seiner Macht – sich selbst nimmt.

So bleibt das Dilemma wieder die Kommunikation, die eingangs ja als so wesentlich hervorgehoben wurde. Relevant, um seinen Masochismus zu leben, scheint die Frage, ob der passive, masochistische, submissive oder devote Partner sich auf seine Rolle einlassen kann; ob er „nicht erwarten“ wollen kann, oder gar erwarten kann, dass er nichts erwarten will um die Macht des dominanten Partners nicht in Frage zu stellen, was das Paradoxon komplett macht. Denn als schwierig empfanden die meisten, die ihren Masochismus (er)leben wollten, wenn sie den Eindruck hatten, der „Dom“ mache etwas nur für sie oder weil es Sub jetzt gut tut, wobei auch hier wieder klar wurde: dass auch dies dem dominanten Partner viel geben kann, wodurch es ja wiederum doch nicht nur für den anderen macht.
Falls das dem Sub nicht klar ist, kann eine Session hieran jedoch scheitern…

So könnte der Name des Teufels, der am Ende in jedem Detail steckt, und das schöne perverse Spiel kaputt zu machen droht, ganz klar benannt werden als: „Paradoxon“.

Quelle: SWL

Rückschau: Inszenierte Gewalt und Staatsgewalt (Polizist bei SundMehr zu Gast)

Um sich mit damit auseinander zu setzen, wie sich das unverhoffte Zusammentreffen von Vertreter der Staatsgewalt mit Liebhabern inszenierter Gewalt gestaltet, trafen sich 16 Teilnehmer des Gesprächskreises SundMehr am 26.09.14, um mit einem Kriminalbeamten des Hauses der Prävention in Waiblingen ins Gespräch zu kommen. Bereits zum zweiten Mal war dieser der Einladung gefolgt und diesmal mit einer Praktikantin aus dem Bereich der Sozialwissenschaften erschienen.
Die Ausbildungsinhalte bei der Polizei hätten sich gewandelt, erläuterte der Polizist eingangs. Inzwischen stehe nicht nur die Funktion des Ordnungshüters im Mittelpunkt. Auch Kenntnisse für das Konfliktmanagement und des Opferschutzes hätten an Bedeutung gewonnen, was auch Grundlage für die Einrichtung seiner Stelle im Bereich der Prävention gewesen sei.

Wenn auch die Anfrage des SM-Gesprächskreises nicht alltäglich sei, werde diese ganz normal behandelt, wie auch von Schulen zu Themen wie Verkehr oder Drogen, oder von Kleingärtnervereinen und Frauenkreisen, wenn es um häusliche Gewalt oder Einbruch ginge.

Wie auch bei seinem ersten Besuch vor drei Jahren hatte der Polizist nach der Anfrage eine spontane Email-Rundfrage bei seinen Kollegen gestartet, inwiefern Sadomasochismus schon einmal Gegenstand eines Einsatzes gewesen sei. War damals bereits nach 10 Sekunden die erste Antwort eingetroffen, erhielt er diesmal gar keine Antwort. Und auch das damalige Ergebnis bestand nur aus einem Vorkommnis, bei dem ein Paar die Polizei gerufen hatte, weil der Schlüssel für die Handschellen verloren gegangen war ? sodass die Beamten als Freund und Helfer mit ihrem Schlüssel aus der misslichen Situation helfen konnten, erläuterte der Beamte, was verständnisvolle Heiterkeit unter den Zuhörern auslöste.

Solcherlei Vorkommnisse führten aber lediglich zu einer Aktennotiz, weil kein Tatbestand vorliege, der zu weiteren Konsequenzen führte.

Das geringe Ergebnis seiner spontan-Umfrage sei allerdings dahingehend interessant, dass durch eine Umstrukturierung der hiesigen Polizeidirektion sein Zuständigkeitsbereich ? und damit das Einzugsgebiet der Umfrage ? inzwischen auf das dreifache angestiegen sei.

Per Beamer präsentierte der Gast einige Zeitungsmeldungen und Pressemitteilungen und erläuterte daran, wo die Polizei im Konfliktfall zivilrechtliche Ansprüche umsetzen müsste (wenn der Eigner des Torture-Ships keine Partys mehr veranstalten will) und wo es um den Anfangsverdacht einer Straftat geht (wenn verdächtige Gegenstände aufgefunden werden, die sich später als SM-Equipment entpuppen ? womit sich der Verdacht dann erledigt).

Unter besonderer Beobachtung der Polizei stehen insgesamt ?verdächtige? Orte, wie z.B.Spielplätze, auf denen gehäuft Spritzen oder anderes Zubehör von Drogenkonsumenten aufgefunden wird. Primär zählen Locations, in denen SM-Partys veranstaltet werden, nicht zu solchen verdächtigen Orten, erläuterte der Kriminalhauptkommissar, wobei ein Teilnehmer zu berichten wusste, wie aufgrund der für Außenstehenden verdächtigen Geräusche eine Polizeistreife gerufen wurde, als eine größere Party stattfand. Die Beamten wurden dann begeistert begrüßt, in dem ihr Outfit, wie Uniform und Handschellen gelobt wurden.

Einige Teilnehmer wiesen dann im Gespräch darauf hin, dass die Polizei oft instrumentalisiert würde, um gesellschaftlich Vorurteile, unter dem Deckmantel der Ordnung umzusetzen. Zum Beispiel, indem einem Veranstalter eine Konzession verweigert wird, für den Ausschank von Getränken, weshalb der der Veranstaltung einen privatem Rahmen verleiht und zum Selbstkostenpreis verpflegt. Taucht hier eine Lücke im Dickicht der Verwaltungsvorschriften auf, die negativ gesinnten Nachbarn oder dem Ordnungsamt einen Vorwand bietet, die Veranstaltung verbieten zu lassen, wird die Polizei gerufen, um die Situation zu ?klären?, wobei es egal ist, welche Haltung der Beamten haben, denn hier muss die Polizei einfach ihrer Funktion gerecht werden, den Rechtsstaat und die Ordnung umzusetzen (wie beim ?Schutz? von Demonstrationen gegen Großprojekte wie Stuttgart 21 oder bei Atommülltransporten).

Im praktischen Fall wird hier oft gegenseitig mit ?der Polizei gedroht?, wobei diese ja gar keine Urteile spricht. Ein Teilnehmer berichtete dass seine Kinder einen Nachbarn fotografierten, der auch vom Nachbargrundstück gut sichtbar in seiner Wohnung ein Ganzkörper-Sonnenbad nahm und teilweise auch sexuelle Kontakte pflegte.
Vom eigenen Grundstück aus, hatten sein Nachwuchs sogar das Zoom-Objektiv eingesetzt, worauf der Nachbar vorstellig wurde und die Bilder einforderte.

Der springende Punkt sei hierbei immer jeweils gegenseitig das Ausstrahlen des eigenen Verhaltens in die Öffentlichkeit. In seinen vier Wänden könne sich jeder so verhalten, wie er wolle; sei es Nacktbaden oder Fotografieren. Relevant wäre hier, ob eine Absicht hinzukäme, wie der Einsatz eines Zoom-Objektives, um einen Bildbereich hervor zu heben, der mit bloßem Auge im halb Verborgenen bliebe oder der Provokation von
Aufmerksamkeit für die eigene Geschlechtlichkeit ? zudem: vor Kindern, was sogar einen Straftatbestand darstellen könnte.

Ähnlich sei es, wenn eine ?Sklavin? an der Leine auf der Straße entlang geführt werde. Während dies allgemein ?Erregung öffentlichen Ärgernisses? darstellen könne, wäre hierbei auch relevant (und ggfs. von hinzu gerufenen Polizisten zu untersuchen), ob dies in einem Umfeld geschah, wo der verärgerte Bürger damit rechnen musste ? beim CSD oder Karneval erscheine dies anders. Wenn z.B. der Sub, halb verschämt mit unter der Jacke versteckten gefesselten Händen in einer unbelebten Seitenstraße entlang geführt wird, sei eine Absicht, Ärgernis zu erwecken, ja nicht anzunehmen. Letztlich stelle dies auch nicht das ?vortäuschen einer Straftat? dar und auch nicht das vorsätzliche unnötige auslösen eines Polizeieinsatzes, die im Zweifelsfall ja von andere gerufen worden seien, weshalb es unwahrscheinlich sei, dass die Kosten für die Anfahrt dem betreffenden in Rechnung gestellt würden.

Aus dem Kreis der Teilnehmer kam noch die Anfrage, wie die Situation einzuschätzen sei, wenn nach einer Session der passive Teilnehmer sich entscheidet den Aktiven anzuzeigen, obwohl während der Session Einvernehmlichkeit voraus zu setzen war. Das Wesen von ?Freiwilligkeit? sei, so eine andere Teilnehmerin, dass diese sich auch jederzeit ändern könne, was zeige, wie wichtig ein guter Kontakt und eine gute Kommunikation zwischen den Beteiligten auch während der Session ist.
Klar, könne eine schriftliche Einverständniserklärung ? so der Polizist ? im Konfliktfall nochmal für eine ganz andere Sicherheit sorgen, weil sie ein größeres Gewicht habe. Aus der Runde wurde an den ?Fall Kachelmann? erinnert, der manchen Sadomasochist einen Kontext zu SMigen Spielen ahnen ließ. Doch Schlammschlachten werden letztlich vor Gericht ausgetragen. Die Polizei habe, im Fall des Anfangsverdachtes von häuslicher Gewalt, das Ziel, herauszubekommen, wer das Opfer sei. Dazu würden die Beteiligten nach Möglichkeit auch getrennt befragt ? denn Dilemma sei ja, dass gerade auch bei real vorhandener häuslicher Gewalt die Opfer später sogar selbst verharmlosen und in ihren destruktiven Beziehungen verharren.

Gegen Ende wurden noch Rückfragen gestellt, welche Gegenstände als Waffen gelten, deren Mitführen an der Öffentlichkeit verboten sei. Hier verwies der Gast darauf, dass eine ?Waffe? ein Gegenstand sei, der bestimmungsgemäß als Waffe hergestellt worden sei. Gerüchte, dass ein Rohrstock über 80 cm als Waffe gelte, seien daher hinfällig, wobei es auch Abstufungen gäbe, nach dem Waffengesetz, das sich auch von Zeit zu Zeit verändere (Informationsmaterial kann darüber vom Haus der Prävention bezogen werden, und wurde auch schon beim ersten Besuch verteilt).

Auf die Bitte, welche generellen Tipps er für die Teilnehmer habe, falls es überraschend im Zuge einer Session zum Kontakt mit der Polizei käme, empfahl er möglichst umfassend und offen zu kommunizieren, um was es sich handle, ohne aus falscher Scham zu verheimlichen oder zu verhehlen dass es sich um BDSM Praktiken gehandelt habe. Den Anfangsverdacht häuslicher Gewalt, kann auch ein ?szenetypisches Ambiente? plausibel ausräumen, wie schon beim letzten Besuch (http://www.sundmehr.de/Termine/20110826.htm) erläutert worden war.

Mit herzlichem Dank wurde der Gast von der Runde verabschiedet, wobei er auch zusagte, bei erneutem Interesse oder Bedarf, gerne in drei Jahren erneut vorbei zukommen.

Quelle: SWL

„SM und Kirche“ – Pfarrer zu Gast bei SundMehr

Zum Thema „SM und die Kirche“ traf sich der Gesprächskreises SundMehr am 28.02.14, um mit Pfarrer Matthias Wanzeck, ins Gespräch zu kommen. Der verheiratete 39 jährige Familienvater, teilt sich seit 3 Jahren in der evangelischen Kirchengemeinde Rommelshausen eine der beiden Pfarrstellen mit seiner Frau, nachdem er, nach Abschluss seines Theologiestudiums in Tübingen, drei Jahre als „unständiger“ Pfarrer an der evangelischen Akademie Bad Boll angestellt war, wo er „das Evangelium als Kraft, die die Welt verändern kann“ erfuhr. Rommelshausen lerne er nun als Gemeinde kennen, in der er sich mit Themen auseinander setzen könne, für die man woanders gelyncht wurde, meinte er eingangs, vielleicht auch hinsichtlich seiner wohl erstmaligen Auseinandersetzung
mit SM, und ergänzte gleich zu Beginn: „Es ist selten, dass ich aus der Gemeinde heraus als Pfarrer gebeten werde, zu einer ethischen Frage Stellung zu nehmen. Darum freue ich mich über diese Einladung.“ Hinsichtlich der ganz unterschiedlichen Statements der 24 Teilnehmer in der Vorstellungsrunde, zur Frage, welchen Bezug sie zur Kirche haben, schloss sich der Pfarrer einer Anwesenden an, die schon jetzt von den verschiedenen Äußerungen überrascht war. Auch als Pfarrer habe er selbst ein ambivalentes Verhältnis zur Kirche. Alles andere wäre bei so einer komplexen Institution auch eher ungewöhnlich. Dennoch sei die Kirche sein Arbeitgeber, mit dem er sich auch identifizieren und darum auch auseinandersetzen müsse. In der Württembergischen Landeskirche gäbe es die verschiedensten Strömungen, die auch zu einer gewissen Konfliktkultur und zu starken Bewegungen innerhalb der Kirche führten.
Bei der christlichen Botschaft steht Leiden und Lieben durchaus in einem Zusammenhang, und sei daher auch ein zentrales Thema, wie dies ja bei SM wohl auch der Fall sei. Im Zusammenhang mit seinem Dienst hatte er vor dieser Einladung (und einer Raumanfrage des Gesprächskreises SundMehr mit dem AK SM und Christsein, anlässlich des Bundestreffens von AK SMuC) im kirchlichen Kontext noch nie etwas über SM oder die Auseinandersetzung damit gehört. Zur Vorbereitung des Abends hatte er dann jedoch versucht sich kundig über das Thema zu machen, um dann festzustellen, dass es von kirchlicher Seite kaum etwas gibt. Sofern es doch etwas geben sollte, würde dies zur Zeit von der Debatte um die EKD Orientierungshilfe zu Familie und Partnerschaft und der Bildungsplandebatte in Baden-Württemberg verdeckt.
Eigentlich sei es schon erstaunlich, führte er aus, welch wenig zentrale Rolle Sexualität in der Bibel spielte und wie sehr das Thema dennoch von konservativen evangelischen Christen zu der Bekenntnisfrage schlechthin gemacht würde.
Der Unterschied zwischen Theologie und „dem Christentum“ wurde deutlich, als der Pfarrer dann ausführte, dass Sexualität dabei in den Kirchen schon früh ein großes Thema gewesen sei. Mit Hinweis, dass er kein Fachmann für frühe Kirchengeschichte sei, führte er dies auf die vielen Einflüsse vor allem aus der griechischen Kultur (Neoplatonismus) zur Zeit der alten Kirche zurück. An dieser Stelle kam es zur Frage, ob Sexualität in der Antike einen höheren Stellenwert hatte, als heute, wie ein Teilnehmer an der Positionierung des Bordells in einer antiken Ruinenstadt festgestellt hatte. Ob die Prostitution hier eher freiwillig war oder nicht, musste dann auch offen bleiben, zumal es Berichte gab, über eine durchaus würdevolle Funktion, im Rahmen der Tempelprostitution, die der Ausübung von Sexualität ja einen spirituellen Impetus verlieh, der von Priesterinnen geleistet wurde.
Ob Paulus z.B. Homosexualität darum in seinen Briefen ablehnte, weil dies auch soziale Strukturen gefährdete (weil verheiratete Ehemänner nebenher ihre „Lustknaben“ halten konnten), wie einige Anwesende erwähnten, musste auch unbelegt bleiben.
Sexuelle „Vergehen“ würden jedenfalls vor allem seitens der kathol.
Kirche im Vergleich zu anderen Sünden (Lüge, Stehlen, Mord usw…) überbewertet, meinte der Protestantische Pfarrer.
Im evangelischen Bereich, spiele dies vor allem in evangelikalen Kreisen eine Rolle, was sich vor allem in der Ablehnung von vorehelichem Geschlechtsverkehr („true love waits“). Sein Eindruck, dass diese Tendenzen rückläufig seien, konnten von einer Anwesenden nicht geteilt werden, die während ihres Studiums auf einer evangelischen Hochschule die Beobachtung machte, dass verhältnismäßig viele Kommilitoninnen, mit Anfang Zwanzig heirateten, was sie auf die Notwendigkeit zurückführte, ihre erotischen Bedürfnisse durch Eheschließung zu legitimieren.
Überhaupt ist das Ringen um die Akzeptanz oder Ablehnung von Homosexualität biblisch viel besser belegbar, meinte Pfarrer Wanzeck, obwohl schon dies Ringen an sich der protestantischen Lehre, dass wir alle schon ohne unser Zutun, so wie wir sind, vor Gott gerechtfertigt zu sein, widerspricht. Dennoch sei bis heute in der Württembergischen Landeskirche ein offener, entspannter Umgang mit dieser Thematik nicht möglich. Praktisch habe sich zwar vieles verändert, aber durch die angeschwollene Medienlandschaft, auch das Klima, was öffentlich gesagt werden kann und was nicht. So sage „die Kirche“ oftmals lieber mal etwas nicht oder falls doch, dann sehr neutral. Natürlich kann er als Einzelperson darum auch keine Aussage machen, zur Haltung „der (Württembergischen) Landeskirche“. Zudem entspräche dies ja auch der Haltung und Ethik der evangelischen Kirche, die der individuellen Gewissensentscheidung einen großen Wert beimisst. Im Gegensatz zur katholischen Kirche gäbe es darum ja auch keine Lehramt, das in Pastoralbriefen und Enzykliken die offizielle Haltung der Kirche verkündet. Stellungnahmen der EKD werden darum auch mit „Denkschrift“ oder „Orientierungshilfe“ betitelt.
Viele der der konkreten Fragen der Teilnehmer schienen genau aus diesem Grund, auch nur mit dem Verweis auf Ethik und Theologie beantwortbar zu sein. So musste sich jeder immer wieder seine eigene Verantwortung für den Glauben, sofern vorhanden, klar machen.
Nach einigen Zwischenfragen ging es dann auch um das Bibelverständnis.
Wanzeck erläuterte, dass eine historisch-kritische Herangehensweise beim Versuch helfen kann, den Bedeutungsinhalt eines Textes zu verstehen, wobei vieles offen bliebe. „Die christliche Religion ist eben keine Buchreligion“, erläuterte er, „denn Gegenstand des Glaubens ist eben nicht die Heilige Schrift, sondern Gott und seine Beziehung zum Menschen.“ Allerdings habe die Bibel einen großen Stellenwert, da aus ihrem Inhalt herausgefiltert werden, was Menschen von Gott wissen und in früheren Zeiten aufschrieben.
Die nun an die Teilnehmer gestellte Frage, ob jemand etwas in der Bibel über oder zu SM gefunden hat, führte zu dem wichtigen Hinweis von Teilnehmerseite, hier zu trennen, denn was in der Bibel von und über „Sklaven“ stünde, wäre in einem absolut anderen, auch historischen Kontext zu sehen, als was SMer unter einem Sklaven verstehen. Da es bei einer guten Session ja nicht darum ginge, Leiden zu vermehren, sondern durch die körperliche Erfahrung, wenn auch unangenehmer Situationen, Lust zu erzeugen, wäre dies stark zu unterscheiden – was SM tatsächlich auch etwas Spirituelles gäbe. Ob der Erlösungsgedanke durch Jesu Leiden hier in Verbindung gebracht werden könne, wurde dann – sehr kurz – kontrovers diskutiert, zu bereits fortgeschrittener Zeit. Dass Lust irgendeine Rolle gespielt haben könnte, bei Jesu Leiden, wurde dann von einem Teilnehmer stark hinterfragt, ebenso, dass Gott Lust dabei empfunden haben sollte. Relevanter wäre hier, die Übertragung eines Opferrituals vom Tier, auf den Mensch Jesus, der stellvertretend für alle Menschen litt.
Die Bußübungen, manch mittelalterlicher Selbstgeißler wurden dann auch von Martin Luther kritisch gesehen, weil ja hier erneut „Werke“ im Vordergrund standen, die den Mensch vor Gott rechtfertigen sollten, erläuterte der Gast.
„Die Abwehr von Sex vor der Ehe ist keine Grundlinie der evangelischen Kirche“, erläuterte Wanzeck weiter. Der wichtigste Aspekt sei die Liebe zwischen den Beteiligten, der verantwortungsvolle Umgang mit dem Gegenüber. Auf die Nachfrage eines Teilnehmers, welchen Stellenwert die Kirche der Sexualität denn überhaupt beimesse, meinte Wanzeck, sehr wohl solle Sex auch Spaß machen und sei natürlich nicht nur zum Zweck der Fortpflanzung geschaffen. Relevant sei eben, wie die Sexualität statt finde.
Als dann ein Teilnehmer die reglementierende Wirkung der Kirche auf die Sexualität mit dem Hinweis auf den viel entspannteren Umgang von Naturvölkern damit belegen wollte, wurde dies von einem anderen
Teilnehmer fachkundig entkräftet: Viele sog. „Naturvölker“ haben den Wissenschaftlern auf deren in diese Richtung weisende Fragen Dinge erzählt, die diese zwar hören wollten, aber die so nie waren – was später zu einem recht verklärten Blick auf entsprechende Kulturen (z.B.
Eskimos) führte, weshalb die Berichte der renommierten Ethnologin Margaret Mead heute später zu kontroversen führten.
Abschließend wurde der Kirchenvertreter noch gefragt, was er einem SMer raten würde, der sich nicht sicher ist, ob er sich in der Kirche wohlfühlen könnte, weil er Angst davor hat, was andere von ihm denken könnten, oder weil er ein schlechtes Gewissen hat.
Ein schlechtes Gewissen komme vor allem vom eigenen Gewissen, meinte der Theologe, und kann daher auch Ausdruck nicht abgeschlossener, eigener Klärungsprozesse sein.
Religiosität – Glaube – ist auch so existenziell, dass sie sich nicht in verschiedene Lebensbereiche aufspalten ließe (z.B. Berufsleben, Privatleben, Erotik). Darum sei es wichtig, die eigene Religiosität mit seinen bevorzugten sexuellen Neigungen in Einklang zu bringen.
„Das schlechte Gewissen kommt bei uns Christen oft daher, dass wir Idealbilder proklamieren. Wären wir authentischer und kämen auch die Brüche in Biographien durch Scheidung usw… zur Sprache, wäre dies viel weniger Thema“, ergänzte die anwesende Sprecherin des Arbeitskreises SM und Christsein.
Ein schlechtes Gewissen hat auch immer etwas mit dem Gefühl, schuldig zu sein, zu tun, wobei biblische Aussage ist, dass wir uns als schuldige Menschen zwar wahrnehmen sollen, aber vor allem im Bewusstsein, dass uns diese Schuld schon lange vergeben wurde und wir von Gott angenommen sind. Die ständige Betonung, dass „die Kirche“ einen schuldig spricht, könnte dagegen eher Indiz dafür sein, dass man dies selbst macht.

Quelle: SWL

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